Rum / Rhum / Ron – allgemein

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1 Definition

Rum ist heute sowohl Ausdruck des karibischen Lebensgefühls wie auch ein globales Produkt und unterliegt daher keinen allzu strikten Definitionen im Vergleich zu anderen Spirituosen wie z.B. schottischem Whisky oder französischem Cognac, ja selbst italienischer Grappa ist eindeutiger geregelt. Das mag auf den ersten Blick verwundern, jedoch lohnt sich der Blick hinter die Kulissen der Herstellung bzw. Lagerung, genauso wie auf die Geschichte der Entwicklung dieser höchst vielfältigen Spirituose.

Beginnen wir aber an der Basis:

„Rum ist eine Spirituose, die aus einem Zuckerrohr-Erzeugnis wie Saft, Sirup oder Melasse hergestellt wird.“

Und damit enden eigentlich bereits die Gemeinsamkeiten weltweit, denn beinahe jedes Land, egal ob Hersteller, Exporteur oder Importeur, regelt die Einzelheiten teilweise höchst unterschiedlich:

So gilt z.B. für die Europäische Union gemäß den geltenden EU-Vorschriften (VERORDNUNG EG Nr. 110/2008 vom 15. Januar 2008), dass Rum auf höchstens 96% abv gebrannt und mit  mindestens 37,5% abv abgefüllt werden muss, wobei eine weitere Aromatisierung nicht erlaubt ist. Die Zugabe von Zuckercouleur („spirit caramell“) ist nur zur Farbanpassung gestattet.

In den USA wiederum darf Rum auf höchstens 95% abv (190° proof US) gebrannt werden und ist mit einem Minimum von 40% abv (80° proof US) abzufüllen. Hinsichtlich weiterer Zutaten heißt es nur vereinfacht, dass das Destillat in Aroma, Geschmack und anderer Eigenschaften mit dem übereinstimmen soll, was in der Regel mit Rum assoziiert wird.

Noch mehr Verwirrung gefällig? Bitteschön:

Bei Rum aus Barbados und Jamaica ist die Zugabe von Zucker bzw. anderen Additiven (Aromen) verboten, in vielen süd- und mittelamerikanischen Ländern ist dies nicht nur möglich, sondern gar üblich. Auf Martinique hingegen, siehe hierzu auch unser Artikel über „Rhum agricole“, gelten die wohl strengsten Regeln für Rum weltweit.

Was können wir daraus lernen?

Jeder Rum, egal wie und wo produziert, hat zwar eine gemeinsame Basis, jedoch führt die individuelle Auslegung dazu, dass eine klare Definition kaum möglich ist und sich bis dato auch nicht umfassend durchgesetzt hat, da sich vor allem die Länder und Hersteller in der Karibik bis heute nicht abschließend geeinigt haben.

Dass „Rum“ heute trotz seiner Komplexität wesentlich einfacher verstanden wird, haben wir grundsätzlich einem Unternehmen bzw. einem Mann zu verdanken: dem Italiener, Rum-Liebhaber und -Enthusiasten Luca Gargano von Velier S.p.A, Genua. Bereits vor über 20 Jahren hat dieser ein übersichtliches System zur Einteilung von Rum nach deren kolonialer Herkunft entwickelt, das noch heute einen guten Einstieg bildet, jedoch keine gesetzliche Grundlage darstellt:

Latin Style / Spanischer Stil:

Rum („Ron“) aus ehemaligen spanischen Kolonien wie z.B. Kuba, Guatemala, Venezuela, Kolumbien, Puerto Rico, Dominikanischer Republik, mit eher einem leichten, vollmundigen, milden und runden

Aroma, hergestellt aus Melasse oder Sirup

Tip: „Bacardi” (Puerto Rico), „Botucal” (Venezuela) & „Zacapa” (Guatemala)

British Style / Britischer Stil:

Rum („Rum“) aus ehemaligen britischen Kolonien wie z.B. Barbados, Jamaica, Guayana, Antigua, St. Lucia, Trinidad & Tobago, mit eher einem kräftigen, würzigen, dunklen, lebhaften und gehaltvollen Aroma, hergestellt aus Melasse

Tip: „Hampden Estate“ (Jamaica), „El Dorado” (Guayana) & „Caroni“ (Trinidad)

French Style / Französischer Stil:

Rum („Rhum“) aus ehemaligen französischen Kolonien wie z.B. Martinique, Guadeloupe, MarieGalante, Haiti, La Réunion, mit eher einem fruchtigen, blumigen, grasigen, eleganten und öligen  Aroma, überwiegend hergestellt aus Zuckerrohr-Saft („Rhum agricole“) bzw. seltener aus Melasse („Rhum industriel“)

Tip: „Rhum J.M.” (Martinique), „Barbancourt” (Haiti) & „Damoiseau” (Guadeloupe)

Bei genauerer Betrachtung weist dieses System jedoch mittlerweile gewisse Unstimmigkeiten auf, da die ursprünglichen Abgrenzungen immer mehr verschwimmen und daher für die Zukunft nur noch bedingt geeignet ist. Aber auch hier hat sich Gargano bereits seine Gedanken gemacht und 2015 eine feiner definierte Einteilung vorgestellt, die sich nicht mehr an der geographischen Herkunft orientiert, sondern am Ausgangsprodukt und der Art der Herstellung. Dabei soll auch berücksichtigt werden, ob der Rum von der jeweiligen Destillerie, von einem unabhängigen Abfüller oder auch ganz ohne eine Herkunftsbezeichnung abgefüllt wird.

Dabei finden sich vier unterschiedliche „Klassen“ von Rum:

  1. „Pure Single (Agricole) Rum“, der nur in Brennblasen mit dem Fokus auf „handwerklich“ hergestellt und dabei das Ausgangsmaterial, das Können und die Erfahrung des Destillateurs zum Ausdruck gebracht wird (Saft, Sirup & Melasse)
  2. „(Single) Blended Rum“, verschnitten aus Destillaten, die sowohl in Brennblasen wie auch in (Mehr)-Kolonnen-Anlagen hergestellt wurden (Melasse)
  3. „Agricole/Traditional Rum“, verschnitten aus Destillaten, die sowohl in traditionellen Ein- wie auch in Zwei-Kolonnen-Anlagen hergestellt werden (Saft, Sirup & Melasse)
  4. „(Vatted) Rum“, hergestellt in großen Mengen auf modernen Mehr-Kolonnen-Anlagen (Sirup & Melasse)

Außen vor bleibt bei dieser Klassifikation weiterhin der Rum ohne klare Herkunft bzw. Herstellung, der jedoch auch heute noch einen nicht geringen Teil des vermarkteten Rums ausmacht.

 

2 Geografische Verortung

Denken wir an Rum, denken wir sofort an die Karibik, an Inseln wie Kuba, Jamaica, Hispaniola, genauso wie an Barbados oder Martinique und Guadeloupe. Das kommt nicht von ungefähr, ist doch auch dort der Ursprung des Rums zu suchen wie wir ihn heute kennen und lieben. Ausgehend von der europäischen Gier nach dem „weißen Gold“, dem Zucker, bescherte die Destillation der zähen, klebrigen Melasse, die bei der Zuckerproduktion anfällt, den Zuckerrohrpflanzern zusätzliche und nicht unerhebliche Einkünfte.

Heute wird Rum nicht nur auf den karibischen bzw. westindischen Inseln hergestellt, sondern auch in vielen Ländern Mittel- und Südamerikas, aber auch auf den Philippinen, in Indien, Japan oder auf Madagaskar, Mauritius und Hawaii. Aber auch Australien und viele Länder Europas, darunter auch Deutschland, sind mittlerweile unter den Herstellländern.

3 Herstellungsverfahren inkl. Typisierung

Der Grundstoff für alle Rum-Stile und -Sorten ist stets Zuckerrohr, ein tropisches Gras, das seinen Ursprung mitnichten in der Karibik hat, sondern in Neu-Guinea, von wo es sich über die Philippinen,

Indien, China und Persien bis nach Nordafrika und Spanien verbreitete. Mit den großen Entdeckerfahrten von Kolumbus, da Gama und Vespucci kam das Zuckerrohr auch in die Karibik, wo man gute Bedingungen für den Anbau vorfand.

Heute wird das Zuckerrohr immer mehr maschinell geerntet und verdrängt die Handarbeit mit der

Machete immer mehr bzw. dorthin, wo sich ein Maschineneinsatz nicht rechnet. Eines haben beide Varianten gemeinsam: die geschlagenen Halme sollten nicht länger als 24 Stunden lagern, da sonst Mikroorganismen und Bakterien auf den Halmen beginnen, den Zucker zu verstoffwechseln und zu vermindern. Nach der Ernte wird das Zuckerrohr zuerst zerkleinert, geschreddert oder/und zermalmt und anschließend mittels Walzen der Zuckerrohrsaft herausgepresst. Dieser wird meist bereits beim Pressen mit Quellwasser verdünnt, um möglichst viel Zucker aus den Fasern herauszulösen. Hier trennen sich nun die Wege der einzelnen Stile, je nachdem, ob der künftige Rum aus dem frischen Saft, dem eingekochten Sirup oder der Melasse als Überrest der Zuckerproduktion hergestellt wird:

Zuckerrohr-Saft:

Der frische Zuckerrohrsaft nimmt nicht den Umweg der Zuckerproduktion, sondern wandert sofort in die bereit stehenden Gärbehälter und wird dort mit Hefe versetzt. Die Fermentation dauert dabei zwischen 24 und 72 Stunden und ergibt einen Zuckerrohrwein („vin de canne“ oder „vesou“) mit einem Alkoholgehalt von etwa 4,5-9 Vol.-%. Die anschließende Destillation erfolgt ausschließlich kontinuierlich auf einer einzigen Säule, in der Regel aus Kupfer gefertigt, die durch mehrere Plattenböden (i.d.R. mehr als 20)  unterteilt ist. Der daraus resultierende Feinbrand ist ein aromareiches, schweres Destillat mit einem durchschnittlichen Ester-Gehalt von 350-400 mg/Liter. Genau diese Ester sind für den aus dem Saft zumeist entstehenden „Rhum agricole“ von entscheidender Bedeutung, da sie maßgeblich den späteren Geschmack und Charakter bestimmen. Siehe hierzu auch unser weiterführender Artikel über „Rhum agricole“ (LINK).

Zuckerrohr-Sirup:

Die Vorstufe der Melasse wird heute nur noch sehr selten als Ausgangsprodukt für die RumHerstellung benutzt. Dabei wird der Saft ebenso eingekocht und der auskristallisierende Schaum als Rohrzucker abgeschöpft, jedoch geschieht dies schonender und bei geringeren Temperaturen als es bei der reinen Zuckerproduktion üblich ist. Diese Variante ist heute nur noch in wenigen Ländern Mittel- und Südamerikas üblich, z.B. in Kolumbien oder auch Guatemala bei der Herstellung des „Ron Zacapa“.

Grundsätzlich erfolgt die Herstellung des Rums aus dem Sirup im Weiteren analog zur Verwendung von Melasse, wobei der Sirup noch etwas mehr Zuckergehalt aufweist als die spätere Melasse.

Zuckerrohr-Melasse:

Hierfür wird der Großteil des Zuckerrohrsafts industriell zu Rohrzucker verarbeitet. Der Prozess des Erhitzens und Kristallisierens wird dabei so oft wiederholt, bis sich kein verwertbarer Zucker mehr lösen lässt und ein dunkler, zähflüssiger Rückstand übrig bleibt, die Melasse. Heute ist dieses Nebenprodukt der Zuckerindustrie nach wie vor der Ausgangspunkt für die meisten Rums, denn Melasse ist grundsätzlich günstig, stabil und kann dadurch ohne weiteres gelagert und transportiert werden.

Für die Weiterverarbeitung der Melasse muss diese als Erstes wieder mit Wasser von etwa 60% Zuckeranteil auf etwa 15% verdünnt werden, damit die zugesetzte Hefe ihre Arbeit aufnehmen kann. Bei einer kontrollierten Fermentation oder Gärung ist diese meistens, je nach Destillerie und gewünschtem Stil, nach bis zu maximal 72 Stunden abgeschlossen. Setzt man auf eine natürliche Fermentation, kann diese auch bis zu zwei Wochen dauern, jedoch ist hier der Ausgang meist ungewiss und die Aromatik kann auch ungewünschte Eigenschaften aufweisen. Die darauffolgende Destillation kann höchst unterschiedlich und vielfältig erfolgen. So ist heute eine Herstellung in Brennkolonnen, sowohl in Zwei-Kolonnen- als auch in Mehr-Kolonnen-Apparaten (idR aus bis zu vier oder fünf Kolonnen bestehend) üblich, aber auch Brennblasen kommen in allen Formen, Größen und Materialien vor, dabei auch welche aus Holz (Greenheart), z.B. bei DDL in Guayana. Dabei können auch sogenannte Retorten zur Verstärkung und Reinigung des Alkohols wie auch der Aromen zusätzlich eingesetzt werden, was einzigartig und so nur bei Rum der Fall ist.

Unabhängig aus welchem Ausgangsprodukt, ob nun Saft, Sirup oder Melasse, der Rum hergestellt wird, ist es grundsätzlich üblich, den fertigen Rum auf ein bestimmtes Aroma hin zu verschneiden, bevor dieser in den Handel kommt. Da für Rum, bis auf wenige Ausnahmen, keine Mindestreifezeit in Holzfässern vorgeschrieben ist, kann der Produzent, Importeur oder Händler auf sowohl nicht gereifte, „weiße Rums“ (White Rum) oder auch auf „gereifte Rums“ (Golden Rum / Dark Rum) zurückgreifen. Hinzu kommt, dass je nach Art der Destillation leichte oder auch schwere Rums,  sogenannte „light or heavy marks“ zur Verfügung stehen, die je nach gewünschtem „Profil“ des Rums individuell verschnitten werden können. Der Unterschied dabei liegt in der Herstellung der  Spirituose:

Wie der Name schon sagt, sind „light marks“ eher leicht in Körper, Geschmack und Aromen. Dies erhält man durch eine meist kurze, kontrollierte Fermentation und eine Destillation auf einer MehrKolonnen-Anlage bis knapp unter die gesetzlich vorgeschriebene Grenze von 95% bzw. 96% abv.

Im Gegensatz dazu werden „heavy marks“ meist durch eine längere oder/und natürliche Fermentation hergestellt, oft auch unter Zugabe von „dunder“, dem gesammelten Rückstand aus vorhergehenden Destillationsdurchgängen, welcher in Tanks oder auch im Freien in Gruben gelagert wird und dort weiter fermentieren kann. Dies und die darauffolgende Destillation in Brennblasen, oft mit zugeschalteten Retorten, ergibt ein schweres, aromareicheres Destillat eine weitaus höhere Konzentration an Säuren und Estern bis hin zu einem Estergehalt im fertigen Destillat von über 1.500 mg/Liter („High Ester Rum“). Dies ist z.B. typisch für Rums aus Jamaica und Guayana.

Erwähnt werden soll an dieser Stelle auch, dass unter dem Sammelbegriff „Rum“ auch Varianten im Handel sind, die mit dem Zusatz „Flavoured“ oder „Spiced“ gekennzeichnet sind und mit Aromaextrakten wie z.B. Vanille, Kokosnuss, Banane, Mango, Limone, Zimt, Anis, Pfeffer, Rosmarin versetzt zu werden, um diesen einen vom Konsumenten gewünschten Geschmack zu verleihen. Meist wird dazu auch noch Honig, Zucker und/oder Glycerol zugegeben, um diesen Effekt zu verstärken.

Abschließend dürfen wir zwei Varianten der Spirituose auf Zuckerrohrbasis nicht vergessen, die zwar nicht Rum heißen dürfen, aber so eng damit verwandt sind, dass sie hier keinesfalls fehlen sollten:

Cachaca:

Die Spirituose aus Brasilien, dem größten Zuckerrohrproduzenten der Welt, ist nach brasilianischem Gesetz kein Rum sondern „aguardente de cana“ (Zuckerrohrschnaps) und basiert wie „Rhum agricole“ auf dem frischen Zuckerrohrsaft und ist ungereift wie auch kurz in Holzfässern gereift erhältlich.

Clairin:

Lange war diese Spirituose aus Haiti vollkommen unbekannt, denn wenn es um Rum aus Haiti ging, sprach man stets von der legendären Destillerie „Barbancourt“ und man vergaß, dass noch in vielen weiteren kleinen Brennereien ein wie „Rhum agricole“ aus frischem Zuckerrohrsaft hergestelltes Destillat existiert, das in Handwerk und Tradition sehr eng mit dem Boden und der Bevölkerung Haitis verbunden ist. Clairin, in der Regel ungereift und unverdünnt mit 50-60% abv abgefüllt,  ist in Europa fast gänzlich unbekannt, nur der italienische Importeur Velier führt diese in seinem Portfolio.

4 Wichtige Marken und Brennereien, die man kennen sollte

Ob man sich nun für einen Rum aus dem frischen Zuckerrohrsaft, dem eingekochten Sirup oder der Melasse entscheidet, das kann durchaus stimmungsabhängig sein und ist auch von der Entscheidung beeinflusst, ob man den Rum nun zum Mixen oder zum puren Genuss verwenden möchte.

Für Rum aus Zuckerrohrsaft, meist auch gleichzeitig ein „Rhum agricole“ ist der erste Anlaufpunkt für die meisten die Insel Martinique mit den unter anderen noch aktiven Destillerien „La Mauny“ (La Mauny, Trois Rivières), „St. James“ (St. James, Bally), „Depaz“ (Depaz, Dillon) und nicht zu vergessen: Clèment! Aber auch Rhum von Marken wie „Habitation St. Etienne (H.S.E.)“, „Neisson“, „La Favorite“ oder „Rhum J.M.“ sind einen Versuch wert.

Versprüht Martinique mittlerweile eher mondänen Charme, so steht die Insel-Gruppe Guadeloupe mehr für eine ruhigere und ländliche Idylle. Ebenso ergeht es dem „Rhum agricole“ von dort, der, anders als auf Martinique, noch nicht durch eine eigene AOC geschützt ist, aber dennoch kaum noch als Geheimtipp durchgeht. In der 1895 gegründeten „Hope Distillery“, der heute ältesten auf Guadeloupe  werden die Marken „Rhum Longueteau“ und „Rhum Karukera“ hergestellt. Die Brennerei „Bellevue au Moule“ stellt den wohl meist verkauften Rhum der Insel her: „Damoiseau“. Aber vergessen wir die kleineren Brennereien und Marken wie Séverin, Montebello, Bielle oder Père Labat nicht, auch hier lohnt sich mehr als nur der Blick über den Zaun.

In den Weiten des Indischen Ozeans liegt noch die Insel La Réunion und auch dort wird „Rhum agricole“ hergestellt, wobei hier die Rhums der Destillerien wie „Savanna“, „Rivière du Mât“ und „Isautier“, die kleinste der Insel, besonderes Augenmerk verdienen.

Rum aus dem eingekochten Sirup wird heute eigentlich nur noch in wenigen Ländern, darunter Kolumbien („Dictador“) und vor allem in Guatemala bei „Botran“ bzw. „Zacapa“ hergestellt, der aus der ersten Pressung des Zuckerrohrs gewonnen und dort „Virgin Honey“ genannt wird. Die Stilistik des Rums von „Zacapa“ ist an den spanischen Stil angelehnt, erweitert um die Besonderheit, dass die Rums dort auf einer Höhe von ca. 2.300 Meter über NN reifen dürfen. Bei dieser Lagerung verlangsamt sich der Reifeprozess aufgrund der niedrigeren Temperaturen, während der niedrigere Druck und die dünnere Bergluft die Bildung der Aromen zusätzlich verstärkt.

Rum aus Melasse macht heute ca. 90% des hergestellten Rums aus und man hat hierbei in der Regel die Wahl zwischen Rum nach britischem oder spanischem Stil.

Die leichteren und milderen Rums des spanischen Stils haben ihren Ursprung auf Kuba, begründet 1862 von Facundo Bacardí, einem Spanier, eingewandert aus Katalonien. Die Rums von „Bacardi“ sind heute sowohl ein Segen wie ein Fluch, entfällt doch ein Großteil der Bekanntheit von Rum auf das Wirken dieses Unternehmens, aber für die Genießer-Fraktion sind nur wenige Rums im Portfolio. Auch die zweite kubanische Marke, „Havanna Club“, ist heute weltbekannt und nicht mehr aus der Rum-Szene wegzudenken. Über Kuba hinaus hat sich vor allem die Dominikanische Republik einen guten Ruf erworben, vor allem mit Rums von „Barcelo“, „Brugal“ und „Matusalem“. Aber auch auf dem Festland, z.B. in Venezuela („Botucal“, „Pampero“, „Santa Teresa“), Nicaragua („Flor de Cana“), Panama („Malecon“) und Peru („Millonario“) findet man Rums, die weltweit Anerkennung erhalten. Außerhalb der Karibik kommt man zudem an einem Rum nicht vorbei, der auf den Philippinen hergestellt wird: „Don Papa“. Die noch junge Marke hat in Windeseile den Markt erobert und macht auch regelmäßig mit limitierten Sonderabfüllungen von sich reden.

Der britische Stil, schwerer und würziger als sein spanisches Pendant, wurde maßgeblich von der „British Royal Navy“ mit beeinflusst und steht heute bei vielen Genießern hoch im Kurs, vor allem die sogenannten „High Ester Rums“ aus Jamaica, Guayana und Trinidad. Dabei steht vor allem Jamaica, die „Insel der guten Leute“, im Zentrum der britischen Rum-Produktion, nachdem diese die Insel den Spaniern weggenommen hatten. Seit 1749 wird bei „Appleton Estate“ mittlerweile Rum hergestellt und ist heute nur noch eine von insgesamt sechs Destillerien auf der Insel, die einstmals wohl über 150 beherbergte. Auch einen Besuch wert, sowohl vor Ort wie auch im Glas: „Hampden Estate“! In British-Guayana dagegen steht heute nur noch eine einzige Destillerie, die „Demerara Distillers LTD“, kurz „DDL“, in der allerdings viele verschiedene Typen und Arten von Brennblasen vereinigt wurden, die ursprünglich in anderen, mittlerweile längst geschlossenen Destillerien ihren Dienst verrichteten. Deren Flaggschiff ist der „El Dorado“, den es in unterschiedlichen Altersstufen bis hinauf zum 25jährigen, aber auch als Einzelfass-Abfüllungen gibt. Auch auf Barbados lässt sich die spannende Geschichte des britischen Rums erleben, unter anderem mit Destillaten aus dem Hause „Mount Gay“ oder „Foursquare“. Noch weiter südlich findet sich die Insel Trinidad, bei der auch die Herzen vieler Rum-Genießer heftiger zu schlagen beginnen, vor allem mit Rums aus der in 2003 für immer geschlossenen Destillerie „Caroni“, ein wahrer Verlust. Von der „Trinidad Distillers Limited“ findet man noch den „Angostura“, ebenfalls in verschiedenen Abfüllungen.

Nicht unerwähnt sollen hier die sogenannten „Unabhängigen Abfüller“  wie „Plantation“, „Velier“ „Rum Nation“ oder auch „Wm. Cadenhead“, bleiben, die mit Ihren Abfüllungen erheblich zum Erfolg des Rums in der heutigen Zeit mit beigetragen haben.

5 Geschichte

Kaum eine andere Spirituose ist mit einem solchen Ausmaß an Grausamkeiten verbunden wie Rum, denn die Sucht und Gier der europäischen Großmächte nach Zucker und Rum im beginnenden 16. Jahrhundert steht wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig im Zeichen des Sklavenhandels. Ein Dreieckshandel, der die Karibik mit Nordamerika, Europa und Afrika verband, was Rum damit zur ersten weltweit gehandelte Ware machte und so den Beginn der Globalisierung markiert.

Aber eigentlich steht ganz am Anfang eine einfache Pflanze: „Saccharum officinarum“ oder Zuckerrohr, zu den Süßgräsern gehörend und eigentlich im asiatisch-pazifischen Raum beheimatet. Bereits vor 10.000 Jahren hat es seinen Weg von Neu-Guinea, den Philippinen und Indonesien aus nach Indien, Persien und China begonnen, wo es bereits im 1. Jahrhundert vor Christus auch als erstes großflächig kultiviert und zu Zucker und süßen, fermentierten Weinen verarbeitet wurde. Aber erst durch die Europäer sollte das süße Gras eine ungeheure Bedeutung erhalten. Im Kampf um die Handelshoheit des Zuckers behielten im 14. & 15. Jahrhundert die Niederländer und Engländer dank Ihrer Handelsposten im südostasiatischen Bereich die Oberhand, was die Spanier und Portugiesen nach einer neuen Möglichkeit suchen ließ, mit dem „weißen Gold“ ihrerseits diese horrenden Gewinne zu erwirtschaften, um nicht im Gewürz- und Welthandel abgehängt zu werden. Eine erste Bastion dafür fand sich auf den Kanarischen Inseln und auf Madeira, die bald zum Zentrum für die europäische Zuckerindustrie wurden. Aber mit der Entdeckung des amerikanischen Kontinents und den vorgelagerten karibischen Inseln sollte sich das Blatt erneut dramatisch ändern und sich die Produktion von Zucker dorthin verlagern. Alle großen europäischen Nationen der damaligen Zeit, Spanier wie Portugiesen, Briten wie Franzosen und Niederländer, begannen ab dem frühen 16. Jahrhundert die ersten Zuckerfabriken auf den karibischen Inseln zu errichten und stellten mit Zucker und Sklaven den ersten Motor des Welthandels.

Mitte des 17. Jahrhunderts war Barbados der weltgrößte Zuckerproduzent und wurde mit einem immer größer werdenden Problem konfrontiert: was soll mit dem Rest, quasi dem Abfall der Zuckerproduktion geschehen? Es wurde zwar teilweise als Viehfutter und für Arzneien genutzt, aber die Menge überstieg bei weitem dessen, was dafür gebraucht wurde. Wer nun genau als erstes auf die Idee kam, diese Melasse wieder mit etwas Wasser zu versetzen, dieses Gemisch natürlich fermentieren zu lassen und anschließend zu brennen, ist unbekannt, jedoch nutzte man diesen rauen, ruppigen Brand schon früh zum „Ruhigstellen“ des einfachen Volks und der Sklaven. Erst später wurden die Techniken verfeinert und der raue Brand, erst als „kill-devil“ („Teufelstöter“) oder „aguardente“ („Feuerwasser“) bekannt, wurde gegen Mitte des 18. Jahrhundert als „Rum“ oder „Rhum“ der Liebling der eleganten britischen bzw. französischen Gesellschaft und änderte damit sein Image vom Getränk für arme Leute hin zum Luxusgut.

Noch bis in die erste Hälfte es 19. Jahrhunderts florierte der Handel mit Zucker und Rum aus der Karibik auf dem Rücken der Sklaven, doch sollte damit bald Schluss sein, als zuerst der Handel mit Sklaven verboten und später auch die Sklaverei als Ganzes abgeschafft wurden. Dies führte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Niedergang der karibischen Zucker- und Rum-Produktion. Zucker kam künftig wieder aus dem südostasiatisch-pazifischen Raum, Rum versank beinahe in der Bedeutungslosigkeit, sollte aber bald von voranschreitenden technischen Neuerungen bei der Destillation und einem kleinen Insekt profitieren. Nach 1850 lag die Rum-Industrie Kubas am Boden, aber in den darauffolgenden Jahrzehnten sollte unter anderem ein Spanier namens Facundo Bacardí y Maso auf den Plan treten und mithilfe von neuen Techniken bei der Herstellung, Filterung und Lagerung einen gänzlich anderen Rum erschaffen: leichter, heller, weicher. Dieser neue Stil eroberte die sich rasch verändernde Welt und trat auch als Genussmittel an die Stelle verschiedener Weinbrände Frankreichs oder Spaniens, deren Weinberge durch die Reblaus fast gänzlich vernichtet wurden. In den nächsten 100 Jahren wogten Konsum und Bedeutung mal auf, mal ab, beeinflusst von Depression, Prohibition und den beiden Weltkriegen. Aber ab 1960 trat Rum wieder seinen Siegeszug an, befeuert durch den Tourismus, der vor allem viele Amerikaner und Europäer in die karibische

Sonne zog und die dort mit dem Rum Bekanntschaft machten. Eine Liebe auf den ersten Blick, verkörpert dieser doch mehr als alles andere das karibische Lebensgefühl und die Freiheit von starren Regeln.

Heute ist Rum so vielfältig und beliebt wie nie zuvor: gemixt, auf Eis, aromatisiert, gereift, komplex und pur, für jeden etwas. Wahrlich, das raue Feuerwasser der Sklaven und Piraten hat einen weiten Weg hinter sich bis heute.

6 Wortherkunft

Die Geschichte der Herstellung von Rum ist reichlich belegt und gesichert, dabei bleibt aber die Wortherkunft „Rum“ noch immer im Dunkeln, denn für die Entstehung dieser Bezeichnung gibt es keine gesicherten Quellen. Man vermutet, dass sich die heutige Bezeichnung „Rum“ vom alten kreolisch-englischen „rumbullion“ als Ausdruck für Aufruhr oder Rebellion ableitet, aber auch die Endung „-rum“ des lateinischen „SacchaRUM“ für Zuckerrohr könnte ein Namensgeber sein. Die erste Erwähnung von „Rhum“ als Bezeichnung für eine Spirituose auf Basis von Zuckerrohr, hergestellt auf den karibischen Inseln, findet man im Jahre 1751 in der „Enceclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers“ von Diderot und Rond d’Alembert. Rum wurde schick.